Ich habe jeden meiner beiden Jungs unzählige Stunden im Tragetuch getragen. Herz an Herz, miteinander verbunden, haben wir so staubgesaugt, Fenster geputzt, gekocht, getanzt, waren shoppen, spazieren, bei meinen Chorproben und so vieles mehr…!
Und dann war der immer dieser unbeschreiblich süßliche Duft auf ihrem kleinen Kopf, den nur die Neugeborenen an sich haben. Ich habe das Tragen wohl eben so sehr genossen wie meine Kinder!
Dabei habe ich mich im Vorfeld gar nicht so viel über das Tragen informiert. Mein erster Sohn ist vor 21 Jahren in Münster geboren. Ich habe noch studiert und die meisten Mütter um mich herum trugen eben Ihre Babys in einem Tuch. Damals hatten wir auch noch nicht die Qual der Wahl bei den Tragesystemen: es gab das Tuch oder den Baby-Björn, der aber in „Fachkreisen“ damals wie heute nicht empfehlenswert war und auch immer noch nicht ist.
Seit der Gründung meiner „Familienwerkstatt“ und dem Beginn meiner Selbstständigkeit habe ich mich dann, beruflich motiviert, intensiv mit diesem Thema beschäftigt. Vor diesem Hintergrundwissen bin ich nun noch überzeugter davon, dass das Tragen unserer Babys ein wirkliches Geschenk ist, für Eltern und Kind:
Tragen schenkt Geborgenheit
9 Monate hat dein Baby in deinem warmen, gemütlichen Bauch gelebt, wo all seine Bedürfnisse rund um die Uhr befriedigt wurden. Es wurde durch deine Bewegungen geschaukelt, kannte noch keinen Hunger, keine Kälte und war fest gehalten und umgeben von den weichen Wänden der Gebärmutter. Und plötzlich ist dieses Leben zu Ende: Es taucht ein in eine Welt, die ihm völlig fremd ist und mit seinen zahlreichen Eindrücken oft auch überwältigt. Eng an dich gekuschelt und sanft gewiegt fühlt sich dein Baby ähnlich geborgen wie im Mutterleib. Es spürt deine Körperwärme, deinen Herzschlag und fühlt sich rundum wieder „zu Hause“.
Geboren Ich habe es geschafft. Es war schwer und ich hatte Angst. Aus der wohligen Wärme kam ich in die Kälte, aus dem geborgenen Dämmern in ein helles Licht. Nun hänge ich zwischen Himmel und Erde und ringe nach Luft. Nichts anderes kann ich als schreien. Ich schreie – und atme, endlich.
Ich bewege Arme und Beine; auf einmal habe ich Platz – viel Platz. Ich kann nichts anderes als schreien, da umfast mich etwas, warm und leicht und streichelt mich und wiegt micht und ich höre eine Stimme, die ich schon lange kenne. Dann bin ich ganz still und ich weiß: Jetzt wird alles wieder gut.
Verfasser unbekannt
Ist der menschliche Säugling ein Tragling?
Dein Säugling ist von seinem Verhaltenssystem darauf ausgelegt, dir oder einer anderen Bezugsperson stets körperlich nahe zu sein. Er fühlt sich nur in Verbindung zu einer schützenden Bezugsperson sicher. Wir Eltern sind für unsere Kinder quasi eine Art „Lebensversicherung“ in dieser neuen Welt. So konzentriert dein Baby seine Energie vor allen anderen Bedürfnisse darauf, die Verbindung zu dir stets aufrechtzuerhalten und dich bei einem Gefühl von Verlassensein durch seinen Alarmruf (weinen) herbeizuholen.
Verbunden mit Dir fühlt es sich sicher und geborgen und kann so offen der Welt begegnen.
Tragen schenkt Gesundheit
Gesunde Hüften für dein Baby
Wenn du dein Baby trägst, sitzt es einer sogenannten „Anhock-Spreizhaltung“ an deinem Körper. Das ist die beste Haltung, um die Ausreifung der kindliche Hüfte zu unterstützen. Während deiner Bewegungen „arbeitet“ sich der Oberschenkelkopf in einem optimalen Winkel in die Gelenkpfanne des Hüftgelenkes ein. Voraussetzung dafür ist aber, dass es sich um eine geeignete Tragehilfe handelt, die korrekt genutzt wird. Bei aller Freude, die ich spüre, wenn ich Eltern sehe, die Ihr Kind tragen, wird mir manchmal aber auch ganz mulmig, wenn die Babys, wenig gestützt, halb schräg, mit gerade herunter hängenden Beinchen in ihrer Tragehilfe sitzen. Auch die besten Tragesystem können gesundheitsschädigend sein, wenn sie falsch genutzt werden!
Eine kurze Werbung in eigener Sache
Bei der Trageberatung in der Familienwerkstatt werden dir verschiedene geprüfte Modelle (Tragetuch, Storchenwiege-Carrier, Emei-Trage und Ring-Sling) vorgestellt und danach mit Dir und deinem Baby ausprobiert. Wer einmal bei uns eine Trageberatung gemacht kann, wenn Probleme mit dem Tragesystem auftreten, kostenlos zu einer Kurzberatung wieder kommen. So können wir von unserer Seite gewährleisten, dass Ihr jederzeit Euer Kind optimal tragen könnt.
Gesunder Rücken für dich und dein Baby
Gerade in den ersten Lebenswochen und auch später bei den bekannten Entwicklungssprüngen oder bei Krankheit wollen Babys viele Stunden am Tag getragen werden. Glücklicherweise ist die Zeit, in denen man Babys schreien lässt, weil es die „Lungen stärkt“, in den meisten Familien nun doch endlich vorbei. Ein Baby ohne die Unterstützung durch ein Tragesystem zu tragen, führt für Dich aber schon nach kurzer Zeit zu Verspannungen in Nacken und Rücken. Gehalten durch ein Tragesystem ist die Gewichtsbelastung durch dein Baby deutlich geringer. Deine Arme und Schultern können entspannen.
Wenn Du von Geburt an dein Baby trägst, trainierst du stets sanft deine Rückenmuskulatur. So ist das Tragen für Dich auch keine Problem, wenn dein Kind älter und schwerer geworden ist.
Aber auch für den Rücken Deines Babys ist es von großem Vorteil, wenn er durch das Tragesystem, in seiner natürlichen „Rundung“ gehalten und gestützt wird.
Linderung bei Blähungen
Die anfängliche Unreife des Verdauungssystems beschert vielen Baby in den ersten Lebensmonaten schmerzhafte Blähungen. Diese können sich am besten in der aufrechten Haltungen in Kombination mit Wärme und Bewegung lösen. Also, rein in die Trage… da kannst Du gleich alle 3 Faktoren gleichzeitig „bedienen“!
Ausreichend Schlaf – zufriedene Babys
Die Entdeckerlust der Kleinen ist schier unersättlich. Mit weit aufgerissenen Augen staunen sie sich ins Leben hinein und überfordern sich dabei oft selbst.
Stellt dir vor Du bist für ein paar Tage z.B. in New York. Aus Angst irgendeine wichtige Sehenswürdigkeit zu verpassen, reihst du ein Event ans nächste, gönnst dir wenig Pausen und fällst abends völlig erschöpft ins Bett. All die vielen Eindrücke kreisen dir durch den Kopf und lassen dich trotz aller Müdigkeit nicht abschalten und einschlafen. Der erholsame Schlaf fehlt.
Genau dies ist oft der Dauerzustand vieler neugieriger Babys. Für sie ist jeder Tag eine große Entdeckungsreise. Das Gehirn der Neugeborenen braucht aber auch immer wieder kurze Pausen, um all die Wahrnehmungen und Erlebnisse im Gehirn abspeichern und richtig einsortieren zu können. Schlafforscher haben herausgefunden, das Babys tagsüber in den ersten 3 Lebensmonaten alle 90 Minuten eine Schlafeinheit benötigen, um dann wieder bereit für neue Erfahrungen zu sein. Fehlen diese Pausen hat es oft die bekannten abendlichen Schreistunden zur Folge, die leider immer wieder als Blähungen fehl interpretiert werden.
Das Schreien ist in diesem Fall aber eine Art „Erste-Hilfe-Maßnahme“ des kindlichen Körpers, um den erhöhten Cortisol-Spiegel, ein Stresshormon, (aufgrund von zu viel Input) zu senken und dann später entspannen zu können.
Wenn du dein Baby nach 90 Minuten Wachzeit einfach in deine Trage bindest und dich dann weiter um deinen Alltagsaufgaben kümmerst, wird es oft schon nach kurzer Zeit einschlafen. Dabei ist die Dauer diese Ruhepause nicht wirklich entscheidend. Auf diese sanfte Art und Weise kannst dein Baby unterstützen einen geeigneten Schlaf – und Wachrhythmus zu finden.
Tragen schenkt Liebe
Kann ich mein Kind durch zu viel Tragen auch verwöhnen?
Diese Frage wird mir immer wieder in meinen Kursen und Beratungen gestellt. Die Angst, einen kleinen Tyrannen zu erziehen, der einem dann später auf der Nase „herumtanzt“ ist immer noch weit verbreitet und wird durch viele „wohlgemeinten“ Ratschläge oft verstärkt.
Das Zauberwort heißt in diesem Fall „Selbstregulations-Kompetenz“. Klingt ganz schön kompliziert?
Selbstregulierung als lebenslanger Lernprozess
Selbstregulation ist die Fähigkeit eines Menschen, seine eigenen Impulse, Bedürfnisse und Gefühle mit den Anforderungen, die von außen kommen, in Einklang zu bringen wie z.B.:
- einen Tag- und Nacht-Rhythmus finden
- bei Angst und Erschrecken sich selber beruhigen können
- bei Bedürfnisse wie z.B. Hunger etwas abwarten zu können
- Trennungen von den wichtigen Bezugspersonen aushalten können
- alleine einzuschlafen uvm.
All das ist ein langer Entwicklung- und Lernprozess, der stark von dem jeweiligen Temperament des Kindes beeinflusst wird und gerade in den ersten Lebensjahren viel Unterstützung und Begleitung von uns Eltern braucht.
Entwicklungspotenziale deines Kindes
Aus eigener Erfahrung kann ich Dir sagen, alle Kinder wollen irgendwann selbstständig sein, ihre Dinge alleine tun und groß und unabhängig werden. Du musst einfach nur aufmerksam auf die kleinen Signale deine Kindes schauen, wann es zum nächsten Schritt bereit ist. Zum richtigen Zeitpunkt geht es dann der nächste Lernschritt oft sehr leicht.
Auch Erwachsene brauchen mal „eine Schulter zum Anlehnen“
In unserer Liebesbeziehungen geht es uns doch eigentlich ähnlich:
Wie wohltuend ist es doch, wenn du in seelischen Belastungssituationen, z.B. Stress im Beruf, die Erfahrung machen darfst, dass dein Partner für dich da ist, dir zuhört und dich umsorgt. So gestärkt sieht die Welt dann schnell auch wieder anders aus und dir wird auf einmal klar, was als nächstes zu tun ist. Wenn dein Partner dann mal in einer anderen Situation z.B. alleine mit Freunden in den Urlaub fahren will, kannst Du ihn getrost ziehen lassen, da du ja immer wieder die Erfahrung machen konntest, dass er für dich da ist, wenn du ihn brauchst.
Deinem Baby geht es da genau so!
Lass es in deiner Liebe „baden“, sich nähren und wachsen und das alles mit ganz freien Händen!
Von Herzen Astrid